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Regierungskommission legt Konzept zur Reform der Notfallversorgung vor

Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Versorgung hat heute ihre Vorschläge zur Reform der Notfallversorgung vorgelegt. Im Mittelpunkt der Reformvorschläge stehen die Einrichtung von Integrierten Leitstellen (ILS) zur Zuordnung von Hilfesuchenden sowie der Aufbau von Integrierten Notfallzentren an ausgewählten Krankenhausstandorten.

Auf Basis einer Ausgangslagenbeschreibung zu den Punkten aktuelle Strukturen, Finanzierung und Personal/Versorgungsqualität der Notfallversorgung, gibt die Regierungskommission folgende Empfehlungen für eine Reform:

Grundlegende Ziele

  • Das übergeordnete Ziel der Reform besteht darin, eine bedarfs- und zeitgerechte, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Notfallversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, die regionale Besonderheiten berücksichtigt und sektorenübergreifend, interdisziplinär und mit klaren Verantwortlichkeiten zu organisieren ist. Die zentralen Kriterien, welche diesem Ziel zugrunde liegen, seien Qualitätsvorgaben wie Struktur, Fallzahlen und Erreichbarkeit. Insbesondere in dünn besiedelten Gebieten sollen Doppelstrukturen vermieden werden, um eine Auslastung der Vorhaltung zu sichern. Die Angebotsstrukturen der Notfallversorgung sind zu vereinheitlichen und ihre Planung ist nach den Bevölkerungskriterien abzustimmen.
  • Um eine Überlastung des Personals zu vermeiden, sind aus Sicht der Regierungskommission Personal-Patienten-Schlüssel einzuführen, für die eine Evidenzbasis zu schaffen ist. Die Schlüssel sollen in regelmäßigen Abständen evaluiert werden.
  • In die Notfallversorgung der Bevölkerung sollen alle klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte miteinbezogen werden. Das umfasst die Ärztinnen und Ärzte des KV-Bereichs und die im Krankenhaus tätigen.
  • Der 24/7-Sicherstellungsauftrag der KVen nach § 75 Abs. 1b SGB V für die ambulante Notfallversorgung bleibt bestehen. Er soll jedoch genauer definiert und verbindlicher eingefordert werden.
  • Zur Verbesserung der Versorgungsqualität der Hilfesuchenden schlägt die Regierungskommission z. B. gezielt Zusatzqualifikationen und interprofessionelle Trainings vor.
  • Für die digitale Vernetzung aller beteiligten Institutionen mit Echtzeitübermittlung der medizinischen Daten bedarf es einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Dafür empfiehlt die Regierungskommission, eine elektronische Behandlungsakte einzuführen. 
  • Zudem sollen die Leistungs- und Qualitätsdaten der ambulanten und stationären Akut- und Notfallversorgung transparent dargelegt werden.
  • Weiterhin empfiehlt die Regierungskommission den Aufbau eines verpflichtenden einheitlichen Terminbuchungssystems. Dieses soll verbindliche Terminbuchungen für die Zuweisung oder Weiterleitung von Hilfesuchenden in alle an der Notfallversorgung beteiligten Bereiche ermöglichen

Die Errichtung von ILS und INZ als Kernstück der Reform

  • Die Zuordnung von Hilfesuchenden zu den passenden Strukturen soll künftig stärker gesteuert werden, primär telefonisch oder telemedizinisch.
  • Hierfür empfiehlt die Regierungskommission den Aufbau integrierter Leitstellen (ILS).
  • Die ILS
    • fassen die Rufnummern 112 und 116117 zusammen, entweder räumlich oder digital vernetzt
    • fallen unter den Sicherstellungsauftrag der KVen, die hierfür finanziell ausgestattet werden müssen; die Koordination zwischen KV und dem örtlichen Träger des Rettungsdienstes (z.B. Feuerwehr) erfolgt über gemeinsame Planungsgremien
    • ordnen den Anrufer über ein standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren der richtigen Versorgungseinheit zu und vereinbaren dort für den Patienten verbindliche Termine
    • veranlassen bei Lebensgefahr einen sofortigen Rettungseinsatz
    • bieten rund um die Uhr telemedizinische Beratung durch Ärzte und Pflegekräfte, falls eine persönliche Versorgung nicht notwendig ist; möglich ist auch die Verordnung von Notfall-Medikation mit Botendienst
    • sollen zur Einsparung von Kosten beitragen, weil Rettungseinsätze und Krankenhausbehandlungen vermieden werden
    • überzeugen die Patienten, sich freiwillig zuerst dort zu melden – durch attraktive Leistungen, v.a. niedrigschwellige Erreichbarkeit (keine automatische Sprachsteuerung), kurze Wartezeit, gute Beratung und verbindliche Terminvereinbarung für die versorgende Einheit; der direkte Zugang zur Notaufnahme im Krankenhaus bleibt weiterhin möglich.
  • An allen Krankenhäusern der erweiterten und der umfassenden Notfallversorgung (entsprechend Level II bzw. III gemäß dritter Empfehlung der Regierungskommission) sollen des Weiteren integrierte Notfallzentren (INZ) aufgebaut werden.
  • Die INZ
    • werden von KV und Krankenhaus gemeinsam betrieben; in gemeinsamen Gremien wird die Leitung bestimmt; ist keine Einigung möglich, übernimmt das Krankenhaus die Leitung
    • empfangen die Patienten an einem gemeinsamen Tresen, wo der Ankommende über ein standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren der richtigen Behandlung zugewiesen wird (ambulante Versorgung in der KV-Notfallpraxis vor Ort oder stationäre Aufnahme als Notfall)
    • werden eingerichtet an Krankenhäusernder erweiterten und umfassenden Notfallversorgung und an Kliniken mit Pädiatrie; Personalschlüssel werden eingeführt; die Beteiligung ist verpflichtend (auch für die KV)
    • die Beteiligung der KV muss gewährleistet sein mindestens werktags 14:00-22:00 Uhr sowie am Wochenende 9:00 – 21:00 Uhr.
    • Sollte in dünn besiedelten Gebieten eine regionale Notwendigkeit bestehen, sind INZ oder 24/7-MVZs mit telemedizinischer Anbindung an ein INZ auch an Notfallkrankenhäusern der Basisnotfallversorgung aufzubauen.

Finanzierung

Für die Finanzierung stellt die Regierungskommission zwei Varianten vor:

Variante 1:

  • Vergütung von KV-Praxen und Notaufnahmen im Rahmen bestehender Systeme
  • KVen vereinbaren mit Ärzten Vorhaltepauschale und leistungsbezogene Vergütung
  • Vergütung der Notaufnahmen aus 60-prozentiger Vorhaltepauchale sowie fallbezogener Pauschale

Variante 2:

  • Gemeinsame Vergütung von KV-Praxen und Notaufnahmen nach einheitlichen Kriterien
  • Prinzip "Gleiches Geld für gleiche Leistung"
  • unterschiedliche Vorhalteleistungen zwischen Praxen und Krankenhäusern sind zu berücksichtigen

Eine Reform der ambulanten und stationären Notfallversorgung ist dringend notwendig. Sämtliche Notaufnahmen in Deutschland werden defizitär betrieben und leiden unter massiven Kapazitätsproblemen aufgrund des Personalmangels. Es ist wichtig, dass die „Reformkommission für eine moderne und bedarfsgerechte Versorgung“ sich der Problematik angenommen und ein Konzept zur Reformierung der Notfallversorgung vorgelegt hat. Ziel der Reform muss eine Verbesserung der Notfallversorgung sein. Um eine möglichst flächendeckende Versorgung garantieren zu können, sollten INZ an allen, an der Notfallversorgung teilnehmenden Krankenhäusern, errichtet werden.  

Vierte Stellungnahme der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung zur Reform der Notfallversorgung